Oilenköper
„Biontech im Grundwasser“ – Thees Uhlmann live mit „Songs und Stories“ aus dem Bremer Club 100
„Ohne Applaus ist für mich psychisch kein Problem. Die ersten 8 Jahre mit Tomte war das genauso“, scherzt Thees Uhlmann am gestrigen Montag auf der Bühne des Bremer Club 100. Es ist live und ein Konzert, jedoch ohne Publikum vor Ort. Dafür kann man witzige Social-Media-Posts der Zuschauer auf den Profilen der Location bestaunen, die vor dem Gig ankündigt, jeglichen Content übernehmen zu wollen.
Unter dem Motto „Songs und Stories“ wird ein neues Konzept ausprobiert, das durchaus Potenzial besitzt, die Wartezeit auf echte Konzerte mit Blut, Schweiß und Tränen zu überbrücken und die Musikszene finanziell zu unterstützen. Denn um dabei sein zu können, musste zuvor ein Ticket gelöst werden. Der Oilenköper hat die 17,70 Euro + Gebühren gerne berappt und war dabei.
Der Sound ist klarer
Der „Einlass“ begann um 19.30 Uhr und für die frühen Vögel wurde ein Interview mit dem Star des Abends abgespielt, die Technik kurz vorgestellt („Ich mix heute die Getränke“) und darauf hingewiesen, dass alle Anwesenden negativ getestet wurden. Worauf? Na worauf schon. Alles durchaus informativ und kurzweilig.
Um Punkt 20 Uhr beginnt Thees Uhlmann mit seinen drei Mitstreitern das Konzert. „Fünf Jahre nicht gesungen“ ist ein gelungener Start. Der Sound ist klarer in kleinerer Besetzung, man hat die Ruhe, auf die Feinheiten der Musik zu achten, kann tanzen und schief mitsingen, ohne, dass sich jemand gestört fühlt. Dennoch unterliegt man zu keiner Zeit der Versuchung, dies zur Normalität werden lassen zu wollen.
Der neunte Arm des Oktopus
Die folgenden Songs entstanden lange vor der Pandemie, doch manche Textzeilen erscheinen im aktuellen Kontext wie dafür geschrieben. „Danke für die Angst“ lässt das Tagesgeschehen vor dem geistigen Auge erscheinen und in „Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach Hiphop-Videodrehs nach Hause fährt“ kommt der Satz „Bitte bleiben Sie gesund“ vor. Außerdem singt Uhlmann in letzterem: „… um über die Runden zu kommen, muss jeder etwas tun.“ Nichts beschreibt diesen Abend besser.
Drums, Gitarren (Akustik und E), Bass, Keyboard und eine Art Shaker kommen zum Einsatz. Die Instrumente wechseln durch die Hände der Musiker. Der Bass wird herumgereicht wie ein Joint in der großen Pause, nur der Sänger ist, was das angeht, clean. Interessant wird es, wenn Drummer Max Perner Drums und den Bass gleichzeitig spielt oder Drums und Shaker. Da wird auch klar, warum sein Bandchef ihn „den neunten Arm des Oktopus nennt“.
Mehr Songs als Stories
„Songs und Stories“ heißt der Abend, doch es sind am Ende mehr Songs als Stories, und das ist gut so. Auch wenn Thees Uhlmann äußerst amüsant erzählen kann und wirklich viele lustige Dinge erlebt, leben die Geschichten von einem anwesenden Publikum, das lacht und mit dem interagiert werden kann. Ich habe das mehrmals erlebt. Genial!
Trotzdem fallen so viele lustige Sätze, dass ich Probleme hatte, mich für eine Überschrift zu entscheiden. Kostproben: „Nachdem ich jetzt wirklich über 20 Jahre lang Rockgeschichte geschrieben habe … ha, ha, ha!“ „In Bremen sind die Handtücher aber flauschig!“ „Wenn Benjamin von Stuckrad-Barre anruft, dann gibt es Stress, dann ist was zu tun!“
Die Band liefert voll ab
Die vier Musiker liefern, das kann man nicht anders sagen. Es macht Spaß zuzusehen und zuzuhören. Trotz eines Glasfasernetzanschlusses kommt es leider immer wieder zu Aussetzern, erst als die Bildqualität auf unterster Stufe angekommen ist, läuft alles flüssig. Woran genau das gelegen haben mag, kann ich nicht beurteilen.
Anfangs ärgerte ich mich darüber, fünf Minuten später war das vergessen. Jetzt schäm ich mich dafür ein bisschen, denn da waren Menschen, die mir für 17,70 Euro einen tollen Abend beschert haben. Vielen Dank an alle Beteiligten! Fazit: Das war toll, das kann man machen. Aber ich will da lieber hinfahren, da gibt´s keine zwei Meinungen!

Oilenköper hat im Lemmy Inn geguckt. (Foto: Oilenköper)
Gegen Ende des Streams erzählt Thees Uhlmann noch, er hätte sich darum gekümmert, dass Biontech ins Grundwasser gemixt wird, damit wir uns alle wieder knuddeln können. „Und dann trinken wir alle aus dem gleichen Bierglas, das 8 Meter breit und 12 Meter tief ist!“
Ja, bitte!
Der Oilenköper
Setlist:
Fünf Jahre nicht gesungen
Danke für die Angst
Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt
Und Jay-Z singt uns ein Lied
Club 27
Was wird aus Hannover
Ich sang die ganze Zeit von Dir (Tomte)
Liebeslied (Die Toten Hosen)
Das Mädchen von Kasse 2
Junkies & Scientologen
Avicii
Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
Ein Satellit sendet leise